So lassen sich Dienstreisen und Klimaschutz vereinen
10.08.2023 – Dienstreisen tragen wesentlich zu hochschulbezogenen Treibhausgasemissionen bei. Gleichzeitig sind Dienstreisen wichtig für den wissenschaftlichen Austausch und die Vernetzung untereinander. Im Rahmen des Projekts „Karlsruher Reallabor nachhaltiger Klimaschutz (KARLA)“ sollen Wege gefunden, ausprobiert und erforscht werden, um Dienstreisen nachhaltiger zu gestalten. Rund 25 Teilnehmende folgten der Einladung von KARLA und nahmen im Juli 2023 an einem Workshop teil.
Klimaschutz ist ein wichtiges Element, um ein gutes Leben für heutige und zukünftige Menschen zu gewährleisten. Doch nicht alle Klimaschutzmaßnahmen sind automatisch nachhaltig – man denke beispielsweise an die Konflikte rund um Mieterhöhungen bei der energetischen Sanierung. Ganz ähnliche Fragen finden wir auch im Bereich der klimafreundlichen Dienstreisen. Mithilfe unserer Forschungsansätze in KARLA möchten wir zukünftig Konfliktlinien und mögliche Lösungswege herausarbeiten, um Klimaschutz, gute Forschungspraxis und das Leitbild Nachhaltiger Entwicklung zusammenzudenken. Hierbei wirken bereits unterschiedliche Forschungsgruppen und Institute / Organisationen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit.
Der halbtägige Workshop fand am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) statt und wurde vom KARLA-Projektteam in Zusammenarbeit mit der Hochschule Karlsruhe (HKA) organisiert und durchgeführt. Im Mittelpunkt standen dabei drei Schwerpunkte:
- Wissen: Zunächst wurde den Workshop-Teilnehmenden vermittelt, wie Treibhausgasemissionen niederschwellig erhoben und eingeordnet werden können. Hierzu dienten praktische Beispiele aus der Forschungsarbeit sowie weiterführende Einblicke in Tools.
- Wollen und Werten: Hierbei beschäftigte sich die Gruppe mit der Reflexion der eigenen Dienstreisepraxis aus Nachhaltigkeitsperspektive
- Wirken: In Gruppenarbeit entwarfen die Teilnehmenden eigene Klimaschutz-Experimente
Treibhausgasemissionen von Dienstreisen an Hochschulen
Die Anwesenden befassten sich unter anderem mit der Frage: Wie viel Treibhausgasemissionen fallen bei Dienstreisen an? Um dem nachzugehen, werden in KARLA unterschiedliche Dienstreiseaktivitäten unter die Lupe genommen und deren Klimawirkung abgeschätzt.
Werfen wir zunächst einen Blick in die Praxis: Zwischen 2017 und 2022 absolvierte eine Führungskraft am ITAS insgesamt 49 Dienstreisen. Dabei legte sie rund 46.000 km zurück und verursachte über 4 t Treibhausgasemissionen. Über die Hälfte davon geht auf das Konto einer Flugreise nach Indien.
Für die Abschätzung der Treibhausgasemissionen entwickelten wir in KARLA ein Kalkulationstool. Dabei können Nutzende zwischen unterschiedlichen Verkehrsmitteln wählen, um mehr über die Klimawirkung von einzelnen Reisemöglichkeiten zu erfahren. Die Spanne reicht von Fernlinienbus und Pedelec, über den PKW, bis hin zur Bahn und dem Flugzeug. Bemerkenswert ist, dass bei der Abschätzung nicht nur der Betrieb der Fahrzeuge in den Blick genommen wird, sondern es werden auch die Emissionen mitgedacht, welche für die Bereitstellung der Fahrzeuge, der Kraftstoffe und der benötigten Infrastruktur anfallen. Im Anschluss an den Workshop wird das Tool von interessierten Teilnehmenden getestet und gemeinsam weiterentwickelt.
Klimaschutz trifft auf Forschungspraxis
Unterschiedliche Reisepraktiken wirken sich auch ganz unterschiedlich auf die Klimafreundlichkeit aus. Im zweiten und praxisorientierten Teil des Workshops stand die Frage im Raum „Sollen oder wollen wir überhaupt noch reisen?“
Es gibt viele gute Gründe zu reisen, etwa um Forschungsdaten vor Ort zu erheben. Gleichzeitig ist fraglich, ob der Besuch einer weit entfernten Konferenz aus Klima- und Forschungsperspektive gerechtfertigt ist. Vor diesem Hintergrund entwickelten wir auf Basis des in KARLA eingesetzten Nachhaltigkeitskonzepts unterschiedliche Reflexionsfragen (ReiseReflex), beispielsweise:
- Ist die Reise unabdingbar, um dienstliche Aufgaben zu erfüllen?
- Inwieweit werden durch das genutzte Verkehrsmittel Luftschadstoffe abgegeben, die schädlich für die menschliche Gesundheit sind, beispielsweise durch den Auspuff oder den Reifenabrieb?
- Können klimafreundliche Verkehrsmittel von den Reisenden so in Anspruch genommen werden, ohne dass dies zu einer übermäßigen finanziellen Belastung führt?
Die Workshop-Teilnehmenden wurden eingeladen, die unterschiedlichen Leitfragen zu reflektieren und ihre Favoriten auszuwählen.
Mit Klimaschutz-Experimenten den Wandel gestalten
Zuletzt konzipierten die Teilnehmenden in Gruppen eigene Klimaschutz-Experimente. Marius Albiez von KARLA erläutert, dass solche Klimaschutz-Experimente gut geeignet sind, „um den Reisenden ein unterstützendes Format an die Hand zu geben, mit dem sie ihre Dienstreisen nachhaltiger gestalten können. Je nach Art, Dauer und Ziel des Experiments kann so ein individueller Ansatz für den eigenen Reisekontext erarbeitet und ausprobiert werden.“
Unter anderem wurden im Zuge des Workshops folgende Ideen entwickelt:
- ein Testsemester, in dem Reisen durch Onlineformate weitgehend ersetzt werden
- die Erarbeitung eines Tools für die digitale Reiseplanung mitsamt Emissionsrechner
- die weitere Ausgestaltung des Reise-Hub-Ansatzes
- die Umsetzung eines CO2-Budgets
Im Nachgang an den Workshop sollen mit Interessierten die Experiment-Ideen aufgegriffen und weiterverfolgt werden. Hier erfahren Sie noch mehr zum KARLA-Experiment Klimaschonendes berufliches Reisen.